Ein Satz eine Woche Challenge auf Insta #13

»Alle Menschen sind noch am Leben wegen ihr.«

Mein Schädel dröhnt. Das Rauschen der Wellen und der Nachhall lassen sich nicht voneinander trennen. Die Finger erzeugen ein schmatzendes Geräusch, sobald sie sich von der Stirn lösen. Blutige Schlieren malen die Falten nach. Die Handfläche ist ein roter See. Mir bleibt nur, die Augen zu schleißen. Sofort sind die Erinnerungen zurück, der LKW, der Schrei eines Mädchens und das Glas. Viele kleine Stücke fliegen auf mich zu. Das Lenkrad bohrt sich schmerzhaft in meinen Bauch. Das Kreischen von Metall mischt sich mit dem Tumult hinter mir. Ist es Panik, Schmerz oder verbiegende Karosse? Die Antwort bleibt mir erspart, da der Airback mir eine weitere Ladung Glassplitter mitten ins Gesicht haut. So muss es sich anfühlen, sein Gesicht in einen Kaktus zu stecken.
Eine kleine Hand legt sich auf meine Schulter. Sofort springe ich auf. Eine dumme Idee, wie mir mein Schmerz beweist. Tränen steigen mir in die Augen. »Nicht reiben!«, befehle ich mir selbst. Es ist so furchtbar, die salzigen Tropfen vermischen sich mit den Wunden zu einem Inferno. Diese kämpft sich hinab zum Kinn. Verkrampft sauge ich die kühle Seeluft durch die zusammengebissenen Zähne. »Tut das weh?«, fragt das zierliche Wesen vor mir. Sie trägt ein kleines Hündchen auf dem Arm. Vor ihren Füßen erstreckt sich eine große Pfütze. Nein es ist nichts Flüssiges mehr da. Der Sand hat das Blut längst inhaliert. Wie schlimm sehe ich aus? Der Anblick muss grauenvoll für so ein unschuldiges Wesen sein.
Sie sieht mich fragend an. »Es ist aushaltbar.« Es ruft ein Lächeln auf ihre Lippen. Wir setzen uns wieder in den Sand. In der Ferne sind näherkommende Sirenen zu hören. »Wie ist es mit dir?« »Mir geht es noice.« Ihr Grinsen wurde etwas breiter. Mein Blick schweift auf das Wasser hinaus. Das Schauspiel der Wellen beruhigt mich. Die Rettungskräfte kommen laut näher. »Ich wollte dich nicht erschrecken.« Eine Antwort fällt mir schwer. »Schon gut, ich war in Gedanken.« Welche das waren, würde ich ihrer Seele ersparen. Mein Anblick belastete sie sicher genug.
Die Bauchschmerzen und Übelkeit bereiten mir Sorgen. »Ihr Bus ist kaputt.« Stellt Sie unnötig fest. »Den kann man reparieren oder einen Neuen kaufen.« »Er ähnelt dem Rest, wenn meine Mama Fische kocht.« Ein leichtes Kichern stiehlt sich aus ihrem Hals. Ein Knacken und der darauf folgende Stich, hintern mich den Kopf weiter zu drehen. Um stark zu erscheinen, schlucke ich den Schmerz runter. Spüre Nässe in meinem Rücken. Das ist sicher nur der Angstschweiß.
»Darf ich Dir meinen Lieblingswitz erzählen?« »Ja« »Warum sind Hunde so schlechte Tänzer?« Sie macht eine gut dosierte Pause. Mir fällt keine Antwort ein. Deshalb beantwortet sie die Frage selbst: »Weil sie zwei linke Beine haben.« Es geht nicht. Der Lacher lässt sich nicht zurückhalten. Es schmerz überall, ich wimmere. Der Scherz bleibt mir wortwörtlich im Halse stecken. Mit Mühe ringe ich den Hustenreiz nieder. Ahnend wie ungünstig er für mich wäre. »Entschuldigung!« Ihre Stimme klingt flehend. »Es ist ein schöner Witz.«, hauche ich zitternd. »Opa hat mir den erzählt. Gestern. Gleich nachdem er sich auf meinen Besuch gefreut hatte.«
Hinter mir erklingen Schritte im Sand. Die Sirenen sind verstummt. Ein Stimmengewirr wird lauter. Etwas wird mir um den Hals gelegt. Eine orange Jacke schiebt sich in mein Blickfeld. Alles verschwimmt. Dumpf höre ich jemanden reden. Das kleine Mädchen ist hinter einer Frau verschwunden? Eine Sanitäterin? Die langen Haare sind das einzige Indiz. Der Husten kommt überfallartig. Die Tränen lassen den Blick weiter verschwimmen. Man bewegt mich und der Verstand verabschiedet sich. Mir wird Schwarz vor Augen.
Chaotisches Gerede ist über mir. Die Stimmen zu trennen vermag mein Geist nicht mehr. Selbst einzelne Wörter sind schwer zu verstehen. Nur Fetzen und Silben kann der restliche Verstand erfassen. Unter der rechten Seite, die wohl das Wenigste abbekommen hat, ist eine Liege. Die Sicht ist verschwommen. Vermutlich sehe ich den Strand. Der Untergrund wackelt und das Licht geht erneut aus. Wieder wache ich auf. Neben meinem Bus ein großer roter Fleck, eine Decke und Etwas, dass darunter nicht erkennbar ist. Man lädt die Liege mit mir in den Wagen. Die Tür wird dumpf zugeworfen. Wieder höre ich den Schrei des kleinen Mädchens aus der Erinnerung. »Durch mich wären viele gestorben. Alle Menschen sind noch am Leben wegen ihr.« Unter der Decke war nur der Hund?